Alles entsteht in unserem Kopf. Ob etwas gut oder schlecht ist, ob wir hübsch oder hässlich sind, reich oder arm, liebenswert oder uninteressant, entscheidet ausschließlich unsere individuelle, persönliche Bewertung. Wir richten uns dabei nach gewissen Normen und klassifizieren entsprechend.
So erkennen wir zum Beispiel jemanden als reich an, der ein großes Auto fährt, teure Markenkleidung trägt und First Class fliegt. Aber bedeutet das automatisch, dass dieser Mensch glücklich ist? Dass er einen guten Charakter hat? Dass er sich gut um andere kümmert?
Was ich damit sagen möchte?
Dass das, was wir heute als Norm, Status oder erstrebenswert bezeichnen, lediglich ein Gedankenkonstrukt ist. Wir haben eine bestimmte Vorstellung von Glück, Erfolg und Zielen, die sich der immer schnelleren technischen und gesellschaftlichen Entwicklung anpasst. Allerdings muss das nicht für jeden Menschen zutreffen.
Was hat das mit Verzicht zu tun?
Nun, viele Menschen sind bereits mit ihrem aktuellen, guten Lebensstil nicht zufrieden und wünschen sich eher mehr als weniger. Und Verzicht bedeutet für die meisten etwas Negatives. Man muss sich einschränken, kann nicht sein gewohntes Leben weiterführen und schließlich möchte man sein Leben ja in vollen Zügen genießen.
Aber was ist eigentlich mehr und was ist weniger?
Auch hier orientieren wir uns an dem, was vermeintlich erstrebenswert ist: mehr Geld, mehr Urlaub, größere Wohnung, hochwertigeres Auto usw. Das liegt daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, die von Leistung und Konsum geprägt ist: Wer viel leistet, kann sich viel leisten.
Paradox scheint dabei allerdings, dass wir trotz allem nicht glücklicher werden, obwohl wir in einem der reichsten Länder der Erde leben. Im Gegenteil – auf der Rangliste der glücklichsten Länder rutschen wir immer weiter nach unten. Woran das wohl liegt? Vielleicht, weil das “Mehr” am Ende nie genug sein wird.
Durch Verzicht besser leben?
Seit fast 5 Jahren führe ich mittlerweile ein Leben jenseits des oben beschriebenen Alltags, der überwiegend aus Arbeiten (Geld verdienen) und Konsumieren (Geld ausgeben) bestand. Heute verzichte ich auf wahnsinnig viel und bin dennoch wesentlich glücklicher. Hier möchte dir einen Einblick in einige der bedeutendsten Punkte geben:
1. Geringeres Einkommen
Für mich wäre es damals unvorstellbar gewesen, wie ich mit wenig Geld zufrieden sein könnte. Es gibt doch so vieles, das man sich gönnen möchte: Kleidung, Taschen, Schuhe, Deko-Artikel, Reisen und auch bei der teuren Technik musste ich immer up to date sein. Wieso soll das Leben mit wenig Geld also besser sein?
Ganz einfach: weil freie Zeit unbezahlbar ist! Morgens ohne Wecker aufstehen, entspannt im Café sitzen, weniger Ballast durch weniger Besitz, ohne Stress weniger anfällig für Krankheit sein und sich um sich selbst und andere kümmern können. Endlich bekomme ich jetzt etwas vom echten Leben um mich herum mit!
Gewinn: Wer weniger besitzt, hat weniger zu verlieren. Ich lebe viel unbeschwerter und bin auch heute noch jeden Tag dankbar, dass ich meine Zeit frei einteilen kann.
2. Weniger Konsum
Während die freie Zeit eher einen selbstbezogenen Charakter hat, geht es beim Konsum sehr stark um andere Menschen. Warum? Weil hinter jedem Produkt immer eine Geschichte steckt. Besonders, wenn Dinge extrem billig sind, bedeutet das in der Regel Ausbeutung von Menschen oder Ressourcen auf der anderen Seite (Buchtipp: Billig).
Abgesehen von der Verantwortung wird man jenseits des Hamsterrads feststellen, dass man den ganzen Krempel gar nicht braucht. Heute kaufe ich sehr wenig, dafür aber hochwertig und langlebig. Neben fairer Mode hat Second Hand in fast allen Bereichen den Vorteil, dass ich den anfänglichen Wertverlust einspare.
Gewinn: Meine wenigen Dinge haben an Wert gewonnen. Ich pflege sie und sie leben dafür lange. Bei einigen Gegenständen kann ich sogar auf Wertgewinn statt -verlust setzen.
3. Keine tierischen Produkte
Früher dachte ich, vegan zu leben sei ein viel zu großer Einschnitt in mein Leben. Heute denke ich umgekehrt, nämlich an den “Einschnitt” der Lebewesen, die für mein Vergnügen herhalten mussten. Die Umstellung brauchte etwa drei Monate und ist einfach nur eine andere Ernährungsform, sonst nichts.
Besonders bei unseren Essgewohnheiten habe ich festgestellt, wie stark das Kopfsache ist. Mein Verstand sucht automatisch nach Alternativen, wenn ich mir vorstelle, dass es keine Fleisch-, Fisch- und Milchprodukte gibt. Für mich ist es daher heute völlig absurd, ein totes Tier zu essen oder gar die Muttermilch einer Kuh zu trinken.
Für Nahrungsmittel gebe ich inzwischen das meiste Geld aus, denn niemand anderes wird mich alt werden lassen als mein eigener Körper – und den gilt es maximal zu pflegen. In Zeiten von Pestiziden und Gentechnik erscheint mir das wichtiger denn je und mein Körper dankt es mir sichtlich, indem ich seit Jahren nicht mehr krank war.
Gewinn: Ich ernähre mich viel gesünder und es muss für mich kein Tier mehr sterben. Zudem ist die geringere Auswahl im Lebensmittel-Überfluss sehr erleichternd.
4. Anders reisen
Früher hatte ich mir mal in den Kopf gesetzt, alle Länder der Erde zu bereisen. Das hätte auch mit den erweiterten Möglichkeiten als Reisebloggerin funktionieren können, wenn mir der Klimawandel nicht in die Quere gekommen wäre. Fliegen ist leider mit Abstand das schädlichste Verkehrsmittel und daher galt es den Traum aufzugeben.
Also mache ich das Beste daraus und erlebe das schöne Europa, das so wahnsinnig viel zu bieten hat. Heute reise ich per Zug oder mit meinem kleinen Auto und meist mit Hund, mit dem ich ausgiebig durch die wilde Natur streife. Wenn es doch mal ein Traumziel per Flugzeug sein sollte, kompensiere ich die Emissionen.
Gewinn: Ich fühle mich bei einem rücksichtsvollen Umgang besser und versuche auf Reisen bestmöglich umwelt- und menschenfreundlich unterwegs zu sein.
5. Kleineres Auto
Ohne Auto komme ich leider (noch) nicht aus, weshalb ich auf ein kleineres Auto mit wenig PS umgestiegen bin. Natürlich gebraucht und hoffentlich langlebig. Da ich viel Zeit habe, muss ich nicht schnell sein. Weniger Benzin und geringerer Reifenabrieb sind dabei sinnvolle Nebeneffekte. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel und das Fahrrad kommen häufiger zum Einsatz.
Warum kein Elektroauto? Ganz einfach: Ein neues E-Auto verbraucht wieder wahnsinnig viele Ressourcen und solange ich nicht an allen Stellen (Büro, Wohnung, unterwegs) Ökostrom beziehen kann, macht es die aktuelle Situation meiner Meinung nach nicht besser.
Gewinn: Wenig fahren, wenig PS und wenig verbrauchen ist aktuell meine sinnvollste Wahl. Auch mit einem kleinen Auto habe ich keinen Status-Verlust.
Die Angst vor Statusverlust
Unser Status und das, was andere über uns denken, ist bei vielen ausschlaggebend für ihr alltägliches Handeln. Wenn wir auf einer einsamen Insel wären, bräuchten wir keine Markenkleidung oder andere Dinge, die uns von anderen abheben sollen. Keiner würde es sehen und dementsprechend könnten wir uns die ganze äußerliche Fassade ersparen.
Auf der einsamen Insel würden eher Wohlbefinden, Gesundheit, Freude und Gemeinschaft zählen. Also all die Dinge, die man für Geld eher nicht kaufen kann. Da unser Status eng mit unserem Selbstwertgefühl verknüpft ist, können wir also am ehesten etwas für uns selbst tun.
Je weniger wir uns an anderen orientieren, umso mehr können wir das leben, wozu wir Lust haben. Ich lebe mit so viel weniger und fühle mich dennoch wesentlich reicher als viele Wohlhabende. Ich fühle mich auch nicht als “Opfer”, weil andere mehr haben, sondern sehe mich eher als die Glückliche, die sich keinem bestimmten System anpassen muss.
Was macht dieses Leben wertvoller?
Während mein Lifestyle früher 100% ego-basiert war, also es nur um meine Arbeit, mein Einkommen, meine Wohnung, meinen Konsum, meine Urlaube usw. ging, sehe ich mich heute eher als Teil einer Gemeinschaft. Die Weltbevölkerung wächst kontinuierlich und wir werden in Zukunft viel ändern müssen, wenn wir uns den “Kuchen Erde” alle teilen wollen.
Allein unter diesem Gesichtspunkt fällt Verzichten sehr leicht, wobei ich jeden Tag wieder etwas dazu lerne, was ich noch weiter verändern und verbessern kann. All das bedeutet für mich Leben, Wachsen und auch Teilhaben an dem, was um uns herum passiert – Faktoren, die für uns in Zukunft immer wichtiger werden!
Mein Tipp:
Wenn ich mir das aktuelle Geschehen in der Welt so anschaue, führe ich meiner Meinung nach ein sehr modernes Leben. Der Klimawandel ist in vollem Gange, die Ressourcen werden knapper und gerade die Industrieländer werden nicht drumherum kommen, das aktuelle Wohlstandsmodell überdenken und überarbeiten zu müssen.
Daher möchte ich dich mit diesem Artikel inspirieren, dass Verzicht nichts Schlimmes ist – im Gegenteil! Es ist immer das, was man selbst daraus macht. Ich versuche allem etwas Positives abzugewinnen und finde dann darin auch meine persönliche und ganz individuelle Zufriedenheit. Also trau’ dich, es lohnt sich!
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